Selbst ist der Mann: Weil dem indischen Industriellen Jamsedji Tata Ende des 19. Jahrhunderts der Zutritt zum Watson’s Hotel in Bombay, dem heutigen Mumbai, verwehrt worden sein soll, wurde er selbst aktiv. »Nur für Weiße«, sollen ihm die Angestellten damals die Geschäftspolitik des Hauses vorgehalten haben, bevor sie ihn abwiesen. Das ließ Tata, durch zahlreiche Geschäfte schon damals sehr wohlhabend, nicht auf sich sitzen: Er beschloss, ein eigenes Hotel zu bauen – größer, schöner und vor allem für jedermann zugänglich, ganz gleich, woher man stammte und welcher Religion man angehörte. Es war die Geburtsstunde eines der prachtvollsten Hotels Indiens: des Taj Mahal Palace. Der übrigens nichts mit dem viel älteren Mausoleum Taj Mahal im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh zu tun hat – außer einer prägnanten Kuppel.
So weit die Legende. Ob sich die Ereignisse damals wirklich so zugetragen haben, ist nicht belegt. Fest steht heute lediglich: Watson’s Hotel verfolgte zu jener Zeit tatsächlich eine strenge Rassenpolitik – und Tata, der Gründer des gleichnamigen, bis heute existierenden indischen Mischkonzerns, baute in Mumbai tatsächlich ein Hotel, das seinesgleichen suchte. Ende des 19. Jahrhunderts waren die Hotels in der Hafenstadt alles andere als Aushängeschilder. Sie galten als schäbig, überfüllt und in die Jahre gekommen. Genau der richtige Zeitpunkt für Tatas neues Projekt: Er wollte das Image seiner Stadt auffrischen und Besucher aus aller Welt anlocken. 1898 wurde der Grundstein gelegt, 1903 eröffnete der palastähnliche Bau. Er wurde prompt zu einem Markenzeichen des Hafens – denn das heute so beeindruckende Gateway of India entstand erst 21 Jahre später in unmittelbarer Nähe.
Das Hotel zog vor allem im Land das Interesse auf sich: Für viele Maharadschas wurde das Taj Mahal Palace zu einer Art zweites Zuhause. Auch Freiheitsaktivisten fühlten sich hier wohl: Ali Jinnah, der spätere erste Staatschef Pakistans, sowie die Präsidentin des Indischen Nationalkongresses, Sarojini Naidu, gingen im Taj Mahal Palace ein und aus. Eine der ersten großen Ansprachen nach der Unabhängigkeit Indiens im Jahr 1947 wurde in dem Gebäude gehalten. Kurz zuvor, während des Zweiten Weltkrieges, wurde das Hotel zeitweise zu einem 600-Betten-Krankenhaus umfunktioniert.
Das Taj Mahal Palace knüpfte auch nach dem Krieg und nach der Unabhängigkeit an seine Erfolgsgeschichte an: 1973 wurde wegen der großen Nachfrage ein Turm angebaut. Architektonisch eher schlicht gehalten brachten die 20 neu entstandenen Stockwerke einen Bruch mit dem palastähnlichen Ursprungsgebäude mit sich.
Nicht die einzige einschneidende Veränderung für das Taj Mahal Palace: Im November 2008 übersäten islamistische Terroristen Mumbai mit mehreren Anschlägen. Dabei stürmten sie unter anderem zwei bei Touristen beliebte Hotels: neben dem Trident Oberoi auch das Taj Mahal Palace. Die Täter nahmen dort mehrere Geiseln und zündeten eine Bombe im Hauptgebäude. Durch den darauf folgenden Brand wurden Teile des Komplexes beschädigt. Erst nach drei Tagen war die Geiselnahme im Taj Mahal Palace beendet. Das Hotel blieb bis August 2010 für Renovierungs- und Reparaturarbeiten geschlossen.
Inzwischen ist der Betrieb wieder geöffnet – das Leben in Mumbai geht weiter, trotz der terroristischen Anschläge der Vergangenheit. Das Hotel bleibt offen für alle; ganz so, wie es sich Gründer Tata einst gewünscht hatte.
Dieser Text ist entnommen aus dem Buch »Hotelgeschichte(n) weltweit« von Michael Pohl. Erschienen im Conbook-Verlag (ISBN 978-3943176469).