Manche Sehnsucht beginnt früh im Leben: Federico Fellini war noch ein kleines Kind, eines von vielen hier im italienischen Badeort Rimini, als er in den späten Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren immer wieder vor dem edlen Grand Hotel am Strand Halt gemacht haben soll. Der Luxus des weißen, klassisch gehaltenen Baus faszinierte ihn so sehr, dass er sich ein Leben wie das der noblen Gäste wünschte. Doch davon schienen Fellini und seine Familie finanziell weit entfernt – zumindest anfangs.
Aus dem Kind wurde ein Regisseur, ein immer erfolgreicherer noch dazu, und nach dem Erfolg seiner Filme wie „La strada“ oder „La dolce vita“ war Fellini seinem Kindertraum näher denn je. Er wurde tatsächlich Stammgast im Grand Hotel Rimini. Mehr noch: Das Haus muss ihn so sehr fasziniert haben, dass er es auch als Filmkulisse verwendete – am eindrucksvollsten im Film „Amarcord“, in dem Fellini 1973 seine Kindheit in der Emilia-Romagna verarbeitete, und in dem immer wieder das Grand Hotel im Bild zu sehen ist.
Rimini, in den Fünfziger- und Sechzigerjahren das Ziel der Sehnsucht vieler Deutscher, hat sich gewandelt. Doch das Grand Hotel aus dem Jahr 1908 strahlt hier zwischen den typischen Reihen von Sonnenschirmen und Souvenirständen bis heute ein Maß an Eleganz aus, das man jedem Badeort wünschen würde. Es wurde vom südamerikanischen Architekten Paolo Somazzi entworfen und übte mit seinem idyllischen Garten schnell eine gewisse Anziehungskraft auf die oberen Zehntausend Italiens und der Welt aus. Der klassische Baustil strahlt schon von weitem etwas Vornehmes aus. Die 117 Zimmer und Suiten des Hauptgebäudes sind damals wie heute mit Holzparkett und mit Antiquitäten aus Venedig und Frankreich ausgestattet. Im Garten flanieren die Gäste wie eh und je.
Zwei Kuppeln, die Somazzi auf dem Dach bauen ließ, wurden bereits 1920 zerstört und nie wieder aufgebaut. Weitere schwere Schäden kamen während des Zweiten Weltkrieges hinzu: In Rimini tobten bis in die letzten Tage des Krieges schwere Gefechte. Das Grand Hotel wurde erst in den Fünfzigerjahren wieder vollständig hergestellt – dann aber so detailgetreu, dass es schnell wieder seinen alten Rang innehatte. 1994 erkannte es der italienische Staat als nationales Denkmal an. Heute ist es das einzige Fünf-Sterne-Hotel Riminis; und das einzige mit einem eigenen Strandabschnitt.
Frederico Fellini erlebte dies nicht mehr mit: Er starb am 31. Oktober 1993 – allerdings nicht ohne noch ein letztes Mal in „seinem“ Grand Hotel gewesen zu sein. Hier in seiner bevorzugten Suite soll der Filmemacher mit einem Freund telefoniert haben, als er zusammenbrach. Hilfe war schnell herbei geeilt, dennoch erlag Fellini später in einem Krankenhaus in Rom einem Herzanfall.
Fans des Filmemachers zieht es bis heute hierher nach Rimini. Viele von ihnen wollen einmal in jener Suite übernachten, die Fellini so geliebt hat. Er selbst fand hier auf dem zentralen Friedhof der Stadt seine letzte Ruhe. Reisende werden in der Regel früh an die enge Verbindung zwischen Fellini und Rimini erinnert: Nach seinem Tod wurde der Flughafen der Stadt nach ihm benannt. Michael Pohl