Es war ein Film, wie er Alfred Hitchcock gefallen haben dürfte, denn er vereinte darin seine beiden damaligen Lieblingsschauspieler. Cary Grant spielte 1955 im Film »Über den Dächern von Nizza« (To Catch A Thief) den ehemaligen Juwelendieb John Robie, Grace Kelly trat als Frances Stevens vor die Kameras des bekannten Regisseurs. Und auch die Geschichte war wie für einen großen Film geschaffen: Robbie, Spitzname »Die Katze«, wird verdächtigt, an der Riviera auf Juwelenbeutezug zu sein. Doch der einst berüchtigte Dieb ist in Wahrheit unschuldig; ein Nachahmer kopiert seine alten Methoden bis ins kleinste Detail. Als er sich mit der Millionärin Mrs. Stevens und vor allem deren Tochter Frances anfreundet, werden auch diese bestohlen. Nun ist Robbie unter Zugzwang, den wahren Dieb zu finden — kaum jemand glaubt noch an seine Unschuld.
Es geht über die Dächer von Nizza (die in Wahrheit jene von Cannes sind), durch die traumhafte Landschaft Südfrankreichs bis hin zu einem Maskenball, auf dem der wahre Dieb schließlich entlarvt werden kann. Zentraler Handlungsort aber ist ein Hotel: das Intercontinental Carlton in Cannes.
Der weiße, 343 Betten umfassende Prachtbau liegt fürstlich direkt an der Uferpromenade von Cannes, dem Boulevard de la Croisette — eine 1-A-Lage für eines der besten Hotels Frankreichs und zudem ganz offiziell ein nationales Baudenkmal. Zusammen mit seiner aufwendigen Terrasse, dem fürstlichen Ballsaal im Stil der Belle Époque, dem allgegenwärtigen Meerblick und nicht zuletzt einem Privatstrand bietet das Carlton alle nur erdenklichen Annehmlichkeiten. Der britische Geschäftsmann Henri Ruhl hatte die Idee für das Hotel und finanzierte es gemeinsam mit weiteren Investoren. Architekt Charles Dumas entwarf den Bau, der 1911 in einem ersten Abschnitt eröffnet wurde. Doch schon kurz darauf erwarb Ruhl das Nachbargrundstück mit dem »Hotel de la Plage« und ließ das Carlton erweitern. 1913 schließlich war das Gebäude in seiner heutigen Form fertiggestellt — ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
Mit der Russischen Revolution verlor das Carlton einen gewichtigen Teil seiner Kundschaft, und musste daraufhin 1919 verkauft werden. Doch der Betrieb lief weiter. In Folge dessen wurde hier im Hotel die Grundlagen für einen der erfolgreichsten Düfte der Welt gelegt: Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Dmitri Romnov traf Modedesignerin Coco Chanel 1920 im Carlton den Exilrussen Ernest Beaux, der in Russland ein bekannter Parfümentwickler mit zahlreichen Aufträgen des Zaren war. Das Ergebnis war Chanel No. 5.
Bekannt wurde das Carlton aber vor allem als Übernachtungsstätte bekannter Stars aus Kino und Fernsehen. Während der jährlichen Filmfestspiele in Cannes ist das Hotel bis heute einer der zentralen Treffpunkte der Branche. So mancher folgenreiche Vertrag der Filmindustrie soll in solchen Zeiten hier geschlossen worden sein. Hitchcock-Star Grace Kelly soll im Carlton während des Festivals erstmals auf Prinz Rainier III. von Monaco getroffen sein, den sie 1956 heiratete. Der britische Musiker Elton John drehte hier das Video zu seinem Hit »I’m Still Standing«. Auch Peter Sellers stand bereits 1970 im Carlton vor der Kamera, für Szenen seines Filmes »Das Mädchen in der Suppe« (There’s a Girl in my Soup).
Zweimal indes kamen in bester Hollywood-Manier ungebetene Gäste: 1994 stürmten Räuber mit Maschinenpistolen in ein Juwelengeschäft des Hotels und flohen mit einer Beute von mehr als 60 Millionen Dollar. 2013 wurde das Carlton erneut Ziel von Verbrechern. Am helllichten Tag stahlen sie Juwelen im Gesamtwert von 137 Millionen Dollar. Robbie erneut unter Verdacht? Kaum — Hitchcock hätte sich wohl eine subtilere Methode für das Drehbuch ausgedacht. Michael Pohl
Hotel Intercontinental Carlton: 58 Promenade de la Croisette, 06400 Cannes, Frankreich, Telefon: +33 4 93 06 40 06, www.intercontinental-carlton-cannes.com